24 Stunden Forschung live: am Wochenende vom 16.–17. Juni 2017 waren über 40 Expertinnen und Experten einen Tag und eine Nacht lang unterwegs um herauszufinden, welche heimische Arten in den Merian Gärten vorkommen. Überraschende Grundwasserbewohner, ein singender Südländer, eine zwei Millimeter grosse Sensation und eine provisorische Zahl von 1060 gefundenen Tier-, Pflanzen-, Pilz- und Flechtenarten – der erste GEO-Tag der Natur in den Merian Gärten war ein voller Erfolg.
Das erste Staunen liess nicht lange auf sich warten: schon beim Eindunkeln am Freitagabend kündigte ein lautes Zirpen unterhalb der Villa Merian den ersten aussergewöhnlichen Fund an und sorgte gleichzeitig für ein wenig Ferienstimmung. Die Südliche Grille (Eumodicogryllus bordigalensis) ist nämlich üblicherweise im Mittelmeerraum und im Tessin zuhause. Beobachtungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass sie sich Richtung Norden ausbreitet, anscheinend bis in die Merian Gärten.
Während die Grille von dem warmen und trockenen Wetter profitierte, waren einige andere Tiergruppen in kühlen Bodenspalten versteckt und nur schwer auffindbar. Dafür kam das Publikum bei strahlender Sonne auf seine Kosten. Stündlich führten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessierte Besucher durch die Gärten und forderten das Publikum auf, sich in die Denkweise von Schnecken hinein zu versetzen, erklärten wie Fledermäuse jagen oder berechneten, wie viel Kilo Ameisen sich in einem Bau aufhalten.
Partner
In Kooperation mit dem
Naturhistorischen Museum
Wir bedanken uns bei allen, die tatkräftig mitgewirkt haben:
Forschungsinstitut FiBL
Bebbi Babbler
Vegetationskunde Basel
...und allen weiteren Expertinnen und Experten.
Was ist der Tag der Natur?
Das Magazin GEO ruft seit 1999 jedes Jahr zum Mitmachen auf. Nach dem Motto: «Nur was man kennt, kann man auch schützen» möchte GEO damit auf die Artenvielfalt vor der eigenen Haustür aufmerksam machen.
geo-tagdernatur.de
Ein zweitfund für die Schweiz
Daneben widmeten sich die Experten und Expertinnen ihrer Hauptaufgabe, nämlich mit Fangnetz, Lupe und Fotoapparat die einheimische Flora und Fauna aufzuspüren. Neben den erwarteten und wohlbekannten Arten wie Kohlmeise oder Löwenzahn waren auch zahlreiche besondere Funde dabei.
So zum Beispiel Höhlenasseln und Höhlenflohkrebse, beides Bewohner von Grundwasser und Frischwasserquellen. Quellaustritte sind wenig beachtete, bedrohte Lebensräume, die oft durch Baumassnahmen oder Fassungen verschwinden. Dabei weisen sie eine sehr spezielle Fauna auf – Tiere, die höchstspezialisiert sind, das heisst auf ganz spezielle Lebensräume angewiesen sind. Ein weiterer spezieller Fund war der Rüsselkäfer Amalorynchus melanarius, der sich von Brunnenkresse ernährt und tatsächlich im bisher wenig beachteten Wassergraben auf der Schafweide nachgewiesen wurde; ein anderer seltener Rüsselkäfer fand sich auf der frisch gefällten Blutbuche im Englischen Garten. Und nicht zuletzt die Sensation des Tages: Xylographus bostrichoides, der Zahnschienen-Schwammfresser, ein winziger Käfer (ca. 2 Millimeter lang), der auf einem Baumpilz an einer Kopfweide gefunden wurde. Auch diese Art ist eher im südlichen Europa beheimatet und dies ist erst der zweite Fund in der Schweiz.
Typische Trockenlandarten, kaum Waldarten
Die vielen spannenden Einzeleindrücke liefern uns wertvolle Erkenntnisse über die gesamten Gärten. So zeigten die Funde insgesamt, dass in den Merian Gärten die warmen und trocknen, eher offenen Landschaften dominieren. Gerade in den trockenen Wiesen ist es erfreulich zu sehen, dass die gezielten Pflegemassnahmen tatsächlich wirken, und hier selten gewordene, an Trockenwiesen angepasste Organismen einen Lebensraum finden.
Gleichzeitig zeugt das Fehlen von typischen Waldarten - zum Beispiel bei Ameisen, Flechten und Schwebfliegen - davon, dass unsere Gehölzflächen keinen richtigen Waldcharakter haben. Dies ist auf den zweiten Blick nicht überraschend, handelt es sich doch um eher kleine Baumbestände. Dennoch gibt es uns einen wichtigen Denkanstoss. Wie sollen die Gehölze weiter entwickelt werden, wie ist der zukünftige Umgang mit Unterwuchs, Baumzusammensetzung und Totholz?
Nicht zuletzt hat uns der GEO-Tag der Natur eindrücklich gezeigt, wie wichtig kleine, kleinste und winzige Lebensräume sind. Der Wassergraben in der Schafweide stellte sich als wertvolles Habitat heraus, die kaum beachteten Quellen beherbergen eine spezialisierte Fauna, sogar ein einzelner Totholzstamm kann zu einem wertvollen Lebensraum für seltene Rüsselkäfer werden.
Jetzt beginnt die Nachbestimmung
Nach anstrengenden 24 Stunden beginnt für einige Forscherinnen und Forscher erst jetzt die Hauptarbeit: viele Arten, besonders Insekten und Moose, können erst unter dem Mikroskop genau bestimmt werden. Ende Sommer erwarten wir die endgültige Artenliste, die uns wertvolle Erkenntnisse für unsere Biodiversitätsstrategie liefern wird. Der Bericht wird hier publiziert und die Resultate werden am Vortragstag im Naturhistorischen Museum am 11. November präsentiert.
So spannend und anregend wie der GEO-Tag der Natur in den Merian Gärten war, darf man nicht vergessen: Der Anlass gibt uns nur eine Momentaufnahme, eine kleines Fenster in die hier heimische Flora und Fauna. Hätte es geregnet, wäre der Anlass nur einen Monat früher oder später gewesen, wären andere Spezialisten dabei gewesen – beispielsweise für Mücken oder Milben – hätten wir ganz andere Arten gefunden. Dennoch, zusammen mit vergangenen Untersuchungen und möglichen zukünftigen Studien, gibt er uns wertvolle Erkenntnisse und eine wichtige Übersicht der Artenvielfalt in den Merian Gärten.